Oktober 2011
Immer nur zurückblicken ist langweilig. Das Morgen ist viel aufregender.
Dennoch - hier ein Bericht aus meiner Jugendzeit... Bitte bedenken Sie,
ich war noch recht unreif, als ich die folgenden Begebenheiten beschrieb;
sehen Sie mir also die ein oder andere Naivität nach, die durch die Zeilen
schimmert. Nun denn also, es begab sich vor langer, langer Zeit... |
Februar
2000
|
Unsere Frau hat mich schon eine
ganze Weile mit so schrägen Seitenblicken bedacht und merkwürdig mit
unserem Mann getuschelt.
Ich hab da Sachen rausgehört wie "Langsam müsste es so weit sein"... oder
auch "Wahrscheinlich wird sie es ausgerechnet am Heiligen Abend"... und
danach "Bei unserem Glück trifft es uns zu Silvester mit dem Haus voller
Gäste und einer Katze, die jedem den *flüsterflüster* präsentiert " - ich
hab's nicht richtig verstanden, aber die beiden haben komisch gegrinst und
das hat mir gar nicht gefallen.
Als ich mich daraufhin völlig desinteressiert weggedreht, ihnen meine
Rückseite gezeigt und mich ausgiebig und gelangweilt gereckt habe - da
lachen die doch plötzlich los und unsere Frau sagt: |
"Siehst du - so wird es aussehen!!"
Und dann haben sie sich fast nicht mehr eingekriegt.... so was muss man
sich als Katze nun wirklich nicht bieten lassen, oder?
Tja, was soll ich euch sagen... mittlerweile weiß ich, worüber sie geredet
haben. |
 |
Vor ungefähr zwei Wochen oder so, da
hab ich plötzlich bemerkt, dass der grau getigerte Waldkater aus der
Nachbarschaft gar nicht so langweilig ist, wie ich immer dachte...
Ich hab ja mit ihm in unserem Garten
schon öfter Augenduelle ausgetragen, wisst ihr? Und er tat immer so
un-glaub-lich überlegen und als würde er mich gar nicht ernst nehmen, so
einer ist das... Na ja - er ist dreimal so groß wie ich, aber das liegt
sicher bloß an seinem dicken langen Pelz, den er mit sich rumschleppt.
Jedenfalls hab ich ihn mir mal genauer betrachtet... und irgendwie roch er
auch ganz angenehm - war mit vorher eigentlich gar nicht aufgefallen.
Und glaubt es oder nicht: Er hatte so was Glänzendes in den Augen, als er
mich sah.... und von seinem überlegenen Getue war nichts mehr zu spüren!!
Da denkst du, du kennst deine Nachbarn - und dann überraschen sie dich
doch... Schließlich hatte er mich seit dem letzten Sommer, als ich hier
einzog, mitleidig belächelt.
Und jetzt? Jetzt konnte er sich gar
nicht mehr losreißen von meinem entzückenden Anblick, wenn ich das mal in
aller Bescheidenheit so sagen darf. Nun, um eine lange Geschichte kurz zu
machen: |
Eines Samstag Abends war ich nach
draußen gegangen, um meine - bei schlechtem Wetter normalerweise recht
kurze - letzte Runde des Tages zu machen *mal schauen, ob die Eichhörnchen
wieder da waren und so*, da trieb es mich ganz unvorschriftsmäßig über die
Straße - rüber zum Waldrand und den Feldern also.
Da saß nämlich besagter Waldkater und machte mir schöne Augen...
Es genügt, zu sagen, dass ich erst am nächsten Morgen um halb acht nach
Hause kam. |
 |
Unsere Frau stand übrigens am Zaun
und hielt nach mir Ausschau; "So ein Mist - seit wann sind die denn
Sonntags so früh schon auf !?" dachte ich. Dann lief ich an ihr vorbei,
ohne sie anzuschauen: Ich hatte nun wirklich GAR keine Lust, mir
irgendwelche Vorhaltungen darüber anzuhören, dass ich ihr Leben mit dieser
Nacht um circa zwei Monate verkürzt hätte, weil sie sich solche Sorgen
wegen meines noch nie vorgekommenen nächtlichen Ausbleibens gemacht hat...
und blablabla... (wie ihr an diesen Worten erkennt, musste ich es mir doch
anhören - kurze Zeit später, als ich mir meinen knurrenden Magen dringend
füllen musste und deshalb nicht weglaufen konnte).
Zu allem Überfluss war sogar auch noch Miller sauer auf mich - als ich auf
ihn zulief, um mit ihm über die neuen Erfahrungen zu reden und mir seine
Meinung dazu anzuhören, da faucht der mich doch an und schlägt nach mir!
Nach mir!!
Und das nur, weil ich nach dem wun-der-baren Parfum dieses einmaligen
Waldkaters roch... *tze*
Und soll ich euch was sagen? Unsere Frau rümpfte ebenfalls die Nase!
Dabei ist die "wirklich einiges gewöhnt" - ihre Worte.
Wer kann es mir da übel nehmen, dass ich in diesem ungastlichen Haus nicht
lange blieb und lieber wieder nach draußen ging, wo zu meinem Erstaunen
ein mir bis dahin noch völlig fremder Kater auf mich wartete.
Ich ignorierte erstmal seine Blicke, weil ich unserer Frau keinen Anlass
zum Lästern geben wollte: Die stand nämlich hinterm Küchenfenster und
schaute auf die Terrasse, wo ich kühl und unbeteiligt erstmal eine
ausgiebige Putzstunde einläutete. |
Während der ganzen Zeit konnte der Fremde
seine Augen nicht von mir abwenden (wer könnte es ihm wohl verdenken?),
blieb jedoch, wo er war - in respektvollem Abstand zu mir und der
Zweibeinigen hinter dem Fenster.
Ich fand es schon recht peinlich, dass sie da so unverschämt grinsend
stehen blieb!
Scheinbar wusste sie, wie toll die letzte Nacht für mich gewesen war und
wollte jetzt auch ein bisschen Spaß haben...
Mit einem unwiderstehlichen Recken und Gähnen stand ich deshalb auf und
ging - ohne den Fremden eines Blickes zu würdigen - Richtung Gartenzaun
... wohl wissend, dass er mir nicht widerstehen konnte und mir folgen
würde. Er war übrigens vollkommen weiß, bis auf seinen buschigen Schwanz
und rund um die Ohren - wirklich ganz außergewöhnliche Kater interessierten
sich für mich... was ja wohl niemanden wundert. |
Und der Rest ist, wie man so sagt,
Geschichte... aus Rücksicht auf eventuell mitlesende junge Katzen oder
Kinder, die die großen Wahrheiten des Lebens noch nicht so recht
verarbeiten können, geh ich hier mal nicht in Einzelheiten - alle anderen
wissen sowieso längst Bescheid, wie ich mittlerweile feststellen konnte.
Ja ja, wenn man einmal diese Seite des Daseins erblickt hat, sehen die
Dinge nie wieder so aus wie zuvor... entschuldigt mein Abschweifen ins
Philosophische, aber die Erinnerung an diese fünf Tage (und vor allem ja
Nächte!) meines Lebens ist einfach unbeschreiblich... so viele Kater, so
viele Möglichkeiten... eben l'amour. |
 |
Obwohl... ich muss ja zugeben.... es
ist jetzt schon eine Weile her und... *hüstel* zwischenzeitlich ist was
passiert, das mich diese Phase meines Lebens doch irgendwie anders sehen
lässt.
Ihr müsst wissen, ich bin ein kleines, zierliches Persönchen. Und diese
besagten fünf heißen Tage & Nächte mit aushäusigen Abenteuern und
unregelmäßigem Fressen haben doch einigermaßen an meinen Kräften gezehrt,
so dass ich danach erstmal viel futtern und schlafen musste...
Was mich aber nicht davon abhielt, während des Dösens einige beunruhigende
Worte unserer Zweibeiner aufzuschnappen, die sie sich verstohlen zuraunten
und gleichzeitig auffällig unauffällig versuchten, mich dabei nicht
anzusehen.
Was soll ich euch sagen - wenig später wurde mein Vertrauen missbraucht
und obwohl ich schon etwas hellhörig geworden war ob des heimlichen
Getues, gelang es unserer Frau, mich in den Katzenkorb zu verfrachten und
diesen zu verschließen, bevor du auch nur 'Hühnerfrikassee' sagen
kannst....
Was das bedeutete, das wusste ich schon: Tierarzt!
Lasst uns den Mantel des Schweigens decken über das, was dort mit mir
geschah - unsere Zweibeinige gab mich in dieser übel riechenden
Doktorpraxis ab und ergriff selber feige die Flucht!!
Später kam sie reuig zurück, um mich seinen Fängen zu entreißen - doch da
war natürlich alles schon gelaufen, typisch.
Tja, ich will hier nichts beschönigen, ich bin auch weiß Gott nicht
wehleidig, aber - es ging mir saumiserabel, jawohl.
Und das geschah unserer Zweibeinigen nur
recht, ihr stand nämlich das, was die Menschen schlechtes Gewissen nennen,
förmlich ins Gesicht geschrieben....
Wobei ich übrigens sagen muss, dass weder Miller noch ich bislang dahinter
gekommen sind, was das eigentlich ist, ein schlechtes
Gewissen.
Aber wenn die Zweibeiner auf diese kränkliche Art gucken, dann leiden sie
gerade drunter, soviel ist sicher.
"Schlechtes-Gewissen-Haben" ist jedenfalls
nicht ansteckend für Katzen - aber es ist von Vorteil. In diesem Zustand
sind Menschen noch leichter zu manipulieren als sonst, merkt euch das gut.
|
Obwohl ich in meinem Zustand
eigentlich nur noch meine Ruhe haben und sterben wollte (na ja, nicht
wirklich sterben), bin ich, bevor ich mir dann ein warmes Plätzchen in
der Schlafhöhle an der Heizung gesucht habe, zum Entsetzen unserer Frau
erst noch ein wenig herum getorkelt, hab ein paar klägliche Mauzer
ausgestoßen und so getan, als wollte ich nichts eiliger, als aus diesem
Folterlager durch die Katzenklappe entfliehen!!
Ihr hättet sehen sollen, wie sie sich um mich bemühte, mir die Ohren voll
säuselte, es täte ihr ja alles so leid, aber es müsste ja nun mal sein und
alles sei zu meinem Besten geschehen - (pah! dreimal pah!!) und ähnliches
Zeug.
Sie stellte mir sogar ein bisschen Sahne unter die Nase (sie trug sie
wirklich allen Ernstes hinter mir her!), damit ich doch bitte bitte ein
wenig trinken solle, dann ginge es mir gleich besser. |
|

|
Das konnte durchaus sein, es wäre
sogar sehr wahrscheinlich, aber :
Dann hätte sie sich auch besser gefühlt, und das gönnte ich ihr
noch nicht, nein, keinesfalls. Also litt ich weiter und gab ihr das stumme
Miau - kläglich, tonlos - ihr wisst schon. Aus halbgeschlossenen
Augenlidern konnte ich beobachten, wie sie beinah zusammenbrach - und so
taumelte und torkelte ich wieder in Richtung Katzenklappe.
Sie hielt mich natürlich davon ab, wobei sie nicht recht wusste, wie sie
mich anfassen sollte, ohne mir weh zu tun: Ich hatte nämlich eine Naht
unterm Bauch - das nur zum besseren Verständnis...
Und obwohl sie mit ihren Fingern nicht auch nur annähernd dort drankam,
verpasste ich ihr den nächsten Stich: Ich knurrte sie kurz an - und leckte
ihr anschließend einmal über die Hand!
Leute - sie zerfloss....
Ich genoss zwar diese ganzen Sachen sehr, aber so langsam wollte ich mich
doch zum Schlafen irgendwie zurückziehen - in der Hoffnung, dass nach dem
Aufwachen diese ganze unappetitliche Chose vorbei wäre.
Was übrigens ein Irrtum war, das nur nebenbei.
In dem Moment läutete das Telefon.
Unsere Zweibeinige rang mit sich, warf mir noch einen prüfenden Blick zu
und ermahnte mich, ja nicht wieder Richtung Katzenklappe zu gehen, sie sei
in einer Sekunde wieder da! - und ging zum Telefon.
An die Klappe hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht - aber mir kam eine
Idee: Ich verkroch mich in der kuscheligen Schlafhöhle meines Kratzbaums,
wollte mich zusammen rollen, aber - autsch!! das ging nicht... schließlich
fand ich eine andere Position, wo die doofe Naht nicht so schmerzte... Ich
legte mich ganz nach hinten in die linke Ecke; weil ich nämlich so schwarz
bin und es in der Höhle für die äußerst unzureichenden Augen der Menschen
zu dunkel zum Sehen ist, bin ich da nahezu unsichtbar...
Und obwohl mich die Müdigkeit fast übermannte, genoss ich doch noch im
Halbschlaf die sorgenvolle, entsetzte Stimme unserer Frau, die nach mir
rief:
"Sophie, wo bist du denn bloß ? Du bist doch wohl nicht - " und das
Geräusch der Terrassentür, die hastig aufgerissen wurde, ließ mich sanft
in den Schlaf sinken. Sollte sie sich ruhig sorgen...
Als ich wieder aufwachte, stand Miller vor der Öffnung der Höhle - ich
wusste im ersten Moment gar nicht was los war, aber als ich aufspringen
wollte, fiel mir alles wieder ein und ich konnte einen leisen
Schmerzenslaut nicht unterdrücken. |

|
Ich kroch aus der Höhle und Miller
beroch mich von oben bis unten. Und dann: putzte er mich, vorsichtig und
langsam und ausgiebig.
Sagt mal ehrlich, kann man sich einen besseren Freund wünschen?
Er ließ sich nicht mal von diesem ekligen Geruch abschrecken: dem
Tierarzt-Desinfektionsmittel-Angst-Geruch... *seufz*.... ist er nicht
wundervoll ??
Und schon flatterte die Frau wieder um uns herum, es gab Sahne (direkt vor
meiner Nase - muss ich mehr sagen?) und sogar Miller kam in diesen Genuss.
Ich leckte ein paar Tropfen und kroch dann in die Küche. Da liegt vor der
Heizung eine Sisalmatte, eigentlich mal zum Krallenschärfen angeschafft,
auf der Miller und ich gelegentlich schlafen oder die häuslichen Vorgänge
beobachten.
Und obwohl ich bereits durch die Erfahrung in der Kratzbaumhöhle wusste,
wie ich am besten liegen konnte, führte ich unserer Zweibeinigen erstmal
vor, was sie verschuldet hatte: |
In Zeitlupe drehte & wendete ich
mich x-mal hin und her, um schließlich mit einem Seufzer auf die Matte zu
sinken *von einem tiefen und bedauernden Seufzer ihrerseits begleitet*.
Mit der Nase auf der Matte bot ich ein ergreifendes Bild bejammernswerten
Elends...
Zwischenzeitlich war auch unser Mann nach Hause gekommen und betrachtete
mich.
"Na, du siehst ja nicht besonders gut aus, Kleine", sagte der doch zu mir.
Also wirklich!! Das hört man ja gern...
Später am Abend hab ich dann ein wenig gefressen und mich verwöhnen
lassen. Ich zog mich vorsichtig aufs Sofa hoch - mir war sehr nach
Streicheleinheiten, deshalb verzieh ich unserer Zweibeinigen großzügig.
Sicher wusste sie gar nicht, was sie tat, als sie mich bei diesem blöden
Doc ablieferte, denn sie ist ja nicht so eine, die einem weh tun will.
Hoffentlich hat sie draus gelernt und bleibt in Zukunft weg von dieser
Praxis.
Übrigens: Der Arzt hatte ihr doch tatsächlich einen 'Kragen' mitgegeben,
so ein Ding, das manche Katzen unwürdigerweise tragen sollen, weil sie
sich angeblich die Nähte aufbeißen! Unsere Frau war aber klug genug, mir
das nicht anzutun, war auch gar nicht nötig.
|
Tja, das liegt nun schon eine Woche zurück und natürlich
geht es mir längst wieder phantastisch, wie ihr euch denken könnt.
Ich bin auch schon wieder draußen gewesen - nicht sehr lange allerdings,
denn es ist kalt, wenn man wie ich einen *Gott, wie peinlich* rasierten
Bauch hat.
Und zur großen Freude meiner Zweibeinigen habe ich mir wieder
angewöhnt, drinnen auf die Katzentoilette zu gehen, statt dergleichen
draußen zu erledigen. So darf sie jetzt wieder täglich die Streu
wechseln...
Nun, was soll ich sagen - die Zeit der Jugendsünden liegt hinter mir, ich
bin erwachsen geworden und dieser überhebliche Waldkater von nebenan kann
mir übrigens mittlerweile wieder gestohlen bleiben! |
Was ich an dem gefunden habe, das
kann ich heute nicht mehr so recht nachvollziehen... Die Erinnerungen
werden täglich verschwommener...
Ich höre gerade die Kühlschranktür aufgehen - sorry, Leute, ich muss los ! |
|
|
Miss Sophie |
|
|
|